Archived | Content is no longer being updated

DR Kongo: Beihilfe zur Gewalt.

The Danzer case: local subsidiary pays military and police to brutally harrass residents
Teaser Bild Untertitel
The Danzer case: local subsidiary pays military and police to brutally harrass residents

Am 2. Mai 2011 rückte ein Einsatzkommando lokaler Sicherheitskräfte in das Dorf Bongulu (Provinz Équateur) in der DR Kongo ein. Laut Augenzeugen fielen etwa 60 Soldaten und Polizisten regelrecht über das Dorf her. Sie misshandelten zahlreiche Dorfbewohner, vergewaltigten mehrere Frauen und Mädchen. Die Sicherheitskräfte nutzten Fahrzeuge des Holzunternehmens Siforco S.A.R.L. – damals Tochterunternehmen des  deutsch schweizer Konzerns "Danzer  Group". Doch das Unternehmen stellte nicht nur Fahrzeuge und Fahrer zur Verfügung. Der örtliche Manager der Danzer-Tochter bezahlte die Soldaten und Polizisten auch nach dem Überfall. Hintergrund war ein Konflikt zwischen den Dorfbewohnern und Siforco über Investitionen in Sozial- und Infrastrukturprojekte.

Kein Einzelfall: Polizei und Armee im Einsatz für private Firmen

Der Danzer-Fall ist typisch für eine weit verbreitete Problematik in Afrika, Asien und Lateinamerika: Projekte oder Geschäfte transnationaler Unternehmen führen zu sozialen Konflikten, in die dann lokale Sicherheitskräfte mit oft extremer Gewalt eingreifen. Nicht selten werden Polizisten und Soldaten von den Unternehmen unmittelbar eingeschaltet, teilweise gar unterstützt, und sie begehen bei ihren Einsätzen gravierende Menschenrechtsverletzungen – darunter auch gender-basierte Gewaltverbrechen, vor allem an Frauen.

Umso wichtiger ist es daher, den Gesetzgeber daran zu erinnern, dass die Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen 1995 in Peking explizit anerkannt hat: die Förderung und Gleichberechtigung von Frauen sind eine Frage der Menschenrechte und eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit. Und jede Form von genderbasierter Gewalt muss geahndet werden.

Gleichzeitig gilt, dass bei Menschenrechtsverletzungen nicht nur Staaten Protagonisten sind. Konzerne und/oder ihre Tochterunternehmen bzw. ihre Mitarbeiter_innen verletzen ebenfalls immer wieder die Menschenrechte, direkt oder indirekt, teils durch gezielte Kooperation mit gewalttätigen Regimen oder Konfliktparteien. Unternehmen profitieren in ihrer Tätigkeit vom teils brutalen Vorgehen von Polizei, der Armee oder paramilitärischen Gruppen.

Weder nationale noch internationale Rechtsordnungen bieten ausreichend Verpflichtungen, um Unternehmen wegen Verletzungen von Menschenrechten (straf)rechtlich zu verfolgen. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und die OECD-Leitsätze für Multinationale Unternehmen geben klare Vorgaben, wie dem Risiko zu begegnen ist, dass Tochterunternehmen in schwachen oder autoritären Staaten sowie in Konfliktregionen Menschenrechte verletzen können. Diese Regeln sind zwar nicht bindendes Recht, aber internationales Soft Law und anerkannter Konsens in der internationalen Staatengemeinschaft.

Bei genauerer Betrachtung bieten diese Regelungen ausreichend Potential, um auch die Achtung von Frauenrechten als Menschenrechten stärker in der Frage der Verantwortung von Unternehmen zu berücksichtigen. Die UN-Leitprinzipien sehen vor, dass Unternehmen auch die unterschiedlichen Auswirkungen von Menschenrechtsverletzungen auf Frauen und Männer berücksichtigen müssen. Die Arbeitsgruppe der UN zu Diskriminierung von Frauen in Recht und Praxis (UN Working Group on Discrimination Against Women in Law and Practice) sowie ein Netzwerk von Expert_innen (Gender, Business and Human Rights Reference Group) unterstützen die Arbeitsgruppe der UN zur Umsetzung der Leitprinzipien (Working Group on the Issue of Human Rights and Transnational Corporations) bei der Implementierung dieses Ansatzes.

Sorgfaltsplicht von Managern – auch für Tochterunternehmen

Zwei Jahre nach einem Überfall auf Bongulu reichte das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) gemeinsam mit Global Witness bei der Staatsanwaltschaft Tübingen Strafanzeige gegen einen leitenden Mitarbeiter der Danzer Group aus Deutschland ein. Der Vorwurf: Beihilfe durch Unterlassen zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, zur gefährlichen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Brandstiftung. Der Manager habe es pflichtwidrig unterlassen, zu verhindern, dass die Tochterfirma die Verbrechen der kongolesischen Sicherheitskräfte unterstützt.

Mit dem Fall will das ECCHR zeigen, dass Unternehmen wie die Danzer Group die speziellen menschenrechtlichen Risikolagen der Region, in der sie tätig sind, berücksichtigen müssen. Gewaltsame Übergriffe und sexualisierte Gewalt durch Sicherheitskräfte sind dort keinesfalls als unerwartete, vereinzelte Exzesstaten zu werten. Das Management von Danzer hätte wissen können und müssen, dass es in der Provinz Équateur bei Polizeieinsätzen regelmäßig zu Gewalt gegen Zivilist_innen kommt, und auch, dass die Provinz 2007 die zweithöchste Vergewaltigungsrate der DR Kongo hatte. Darüber hinaus ist allgemein bekannt, dass die Polizei- und Militärkräfte in der DR Kongo nicht nur ausgesprochen gewaltbereit, sondern mangels staatlicher Bezahlung auch auf bezahlte „Aufträge“ privater Auftraggeber angewiesen sind.

Der Fall Danzer zeigt aber auch, dass die Sorgfaltspflichten europäischer Unternehmen für Tochterfirmen im Ausland bisher lediglich von Fall zu Fall und nur mit unzureichender Rechtssicherheit bestimmt werden. Eine gesetzgeberische Festlegung fehlt. Die Bundesregierung wie auch die anderen Regierungen in der EU sind verpflichtet, Sorgfaltspflichten klar zu definieren und im nationalen sowie europäischen Recht so zu verankern, dass sie für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen einklagbar werden.

Auch der Ausschuss der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frauen (CEDAW Ausschuss) betont in den Empfehlungen Nr. 28 und Nr. 30 die Verantwortung der Staaten, Maßnahmen zu ergreifen, die Gewalt als eine Form der Diskriminierung gegen Frauen verhindern. Dabei bezieht er sich auf Handlungen durch staatliche sowie nicht-staatliche Akteure und explizit auch auf Handlungen von extra-territorial agierenden Unternehmen. Der Ausschuss hat damit die Staaten verpflichtet, Regelungen für ihre eigenen extra-territorial agierenden Unternehmen zu erlassen – es ist an der Zeit, dass Deutschland hier handelt.